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Festsitzende Retainer (geklebte Haltedrähte hinter den Schneidezähnen)
Festsitzende Retainer geben Sicherheit – und sind trotzdem nicht immer für die Ewigkeit…
Liebe Patientinnen und Patienten, sehr geehrte Patienteneltern,
Ihre kieferorthopädische Behandlung, oder die Ihres Kindes, ist schon seit einiger Zeit abgeschlossen und nun gilt es, das erreichte Ergebnis möglichst langfristig zu sichern. Für die meisten Patienten besteht „das Ergebnis“ überwiegend in sichtbar geraden Zähnen. Für den Zahnmediziner und Mediziner ist „das Ergebnis“ in erster Linie die erreichte Beziehung der Zähne zueinander, also alles, was zur Position der Kiefer und zum funktionierenden „Zusammenbiss“ zählt – und dann eigentlich erst, dass die Zähne möglichst perfekt gerade aussehen. Ästhetische Perfektion ist schön, (zahn-)medizinisch ist Funktion wichtig, ganz deckungsgleich sind beide Kriterien nicht.
Dass Zähne sich ein Leben lang bewegen können und das auch tun – auch nach einer kieferorthopädischen Behandlung – ist völlig normal. Zähne stehen in einer elastischen und beweglichen Bindegewebshalterung im Knochen (dem sogenannten Parodontium), die, wie alle Körpergewebe, mit der Zeit Veränderungen unterworfen ist und nicht etwa wie in Beton gegossen.
Um den Wünschen der Patienten nach „bleibender Schönheit“ bei größtmöglicher Bequemlichkeit und der kieferorthopädischen Behandler nach langfristigen Erfolgen nachzukommen, hat man in der Kieferorthopädie schon vor langer Zeit angefangen, Drähte auf der Innenseite der Schneidezähne festzukleben: die sogenannten „festsitzenden Retainer“. Diese gehören, bis auf einige nötige individuellen Ausnahmen, zum heutigen Standard in der Retention (Haltezeit). Das ist nun schon mehr als 20 oder sogar fast 30 Jahre so.
Und das wiederum führt dazu, dass man jetzt erstmals in der Rückschau den Überblick haben kann, wie sich festsitzende Retainer langfristig verhalten und dass dazu in der wissenschaftlichen und klinischen Diskussion und Literatur jetzt zunehmend Erkenntnisse dazu auftauchen.
Natürlich würde jeder Kieferorthopäde nur zu gerne garantieren und auch selbst die Gewissheit haben, dass jeder festsitzende Retainer immer fest bleibt, dass er niemals Probleme macht und dass alle Zähne, die so stabilisiert sind, für den Patienten mühe- und risikolos das ganze Leben gerade bleiben.
Wie man jetzt weiß, ist das allerdings nicht die ganze Wahrheit und wir müssen – als vereinfachte Kurzzusammenfassung des aktuellen wissenschaftlichen Standes zu diesem Thema – einige Informationen zur Kenntnis nehmen:
1. Mindestens ein Drittel aller geklebten Haltedrähte geht irgendwann kaputt
Das kann ein Ablösen des Klebers von einem oder mehreren Zähnen sein oder Bruch des Drahtes auf der Strecke zwischen den Zähnen. In wiederum einem Drittel dieser Fälle kann man nach jetzigem Kenntnisstand als Ursache des Problems wie auch immer geartete „Überlastung“ beim Beissen oder durch ungünstige Gewohnheiten vermuten oder zeitlichen Zusammenhang mit anderen Belastungen beobachten, denen der Draht ausgesetzt ist (z.B. bei Mundhygienesitzungen mit Zahnsteinentfernung, anderen zahnärztlichen oder kieferorthopädischen Behandlungen, Abbeissen besonders harter Lebensmittel oder Aufbiss auf eine Gabel).
Ganz sicher sagen, warum ein Retainer kaputtgegangen ist, kann man allerdings fast nie. Diese Probleme können, wenn Sie schnell genug beim Kieferorthopäden gemeldet werden, sehr oft nochmals mit ausreichend guten Ergebnissen relativ einfach repariert werden.
2. Es gibt auch Komplikationen mit festsitzenden Retainern, die dazu führen können, dass sich Schneidezähne mit und unter Einwirkung des vorhandenen festen Drahtes bewegen.
Das kann die Bewegung eines einzelnen Zahnes, der über eine geraume Zeit langsam aber erheblich nach vorne oder hinten kippt oder sogar die Kippung einer ganzen Schneidezahngruppe sein. Diese Fälle sind zum Glück wirklich sehr selten – aber es gibt sie. Und das sollte man wissen. Über die Ursachen dieser Komplikationen kann man bisher tatsächlich nur Vermutungen anstellen – zumal solche Probleme auch zuweilen erst beginnen und beobachtet werden, wenn der Draht schon viele und lange Jahre vorher problemlos im Mund verbracht hat.
Besonders ungünstig ist dabei, dass, wenn diese Komplikation massiv auftritt, der betroffene Zahn nicht nur schief aussieht, sondern, dass das ihn festhaltende Bindegewebe (das Parodontium) Schaden nimmt und der Zahn falsch oder nicht mehr gut im Knochen steht. Dann hilft nur, den Draht schnellstmöglich herauszunehmen und eventuell muss die neue Zahnfehlstellung dann sogar ganz neu vom Kieferorthopäden und / oder Zahnfleischspezialisten (Parodontologen) behandelt werden.
3. Wenn der Retainer viele Jahre oder sogar Jahrzehnte problemlos im Mund war und man diese lange Zeit seine geraden Zähne genießen konnte, kommt irgendwann die Zeit, in der der normale Alterungsprozess auch vor dem Gebiss und der Zahnstellung nicht haltmacht.
Das Bindegewebe, in dem die Zähne stehen, verändert sich dann im Mund genauso wie an anderen Stellen des Körpers. Manchmal kann dann ein Retainerdraht plötzlich Nebenwirkungen entwickeln, die daran liegen, dass er die normale „Altersverschiebung“ der Zähne nicht mitmacht und dadurch zu einer Gewebe-„Belastung“ statt wie bisher „Entlastung“ wird.
Wenn man weiß, woran es im Zusammenhang mit dem Retainerdraht ab und zu zu denken gilt, kann man also selbst gut darauf aufpassen. Denn die Entscheidung, ob und wie lange man den festsitzenden Retainer behalten möchte, bleibt letztlich für jede Patientin, jeden Patienten eine individuelle und ganz persönliche.
Ihr Kieferorthopäde steht selbstverständlich für Nachkontrollen und Fragen zur Verfügung.
Kleberetainer sind als Langzeitstabilisierung der Schneidezähne üblicherweise vorgesehen und weitverbreitet. Sie sind bequem und risiko-arm, aber nicht risiko-los. Das restlose Entfernen eines solchen geklebten Drahtes auf eigenen Wunsch ist mit Voranmeldung in einem längeren Termin ohne Probleme möglich.
Retainer-Komplikationen kommen vor – sie sind kein „Beweis“, dass Patient oder Behandler, jetzt oder früher, etwas falsch gemacht haben. Die Behandlung von Retainer-Komplikationen ist daher genauso zu sehen, wie die erforderlich werdende Lösung jedes anderen neu auftretenden Problems im Leben. Sie ist ganz unabhängig von einer in früheren Jahren stattgefundenen kieferorthopädischen Behandlung.
Bei der täglichen gründlichen Zahnpflege macht es also Sinn, nie völlig zu vergessen, dass man Besitzer eines geklebten Haltedrahtes ist und sicherheitshalber ab und zu einen Blick darauf zu werfen.